Neues vom Motorroller „Pitty"

Vieles ist in der letzten Zeit, besonders in Tageszeitungen, über den Bau eines Motorrollers in der Deutschen Demokratischen Republik geschrieben worden, wobei allerdings in der Begeisterung für dieses zweckmäßige, von der Bevölkerung gewünschte Fahrzeug Produktions-, Preis- und Lieferterminangaben auftauchten, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprachen.
Zunächst ist festzustellen, daß der Motorroller Hexe nicht gebaut wird, da er konstruktive Mängel aufweist, die eine Umkonstruktion erforderlich machen würden. Außerdem sind für ihn keine Berechnungsunterlagen und Zeichnungen vorhanden. Der schwerwiegendste Mangel liegt in der Knickfederung; sie ist so angeordnet, daß der Roller bei Belastung in der Mitte einknickt, was ein Gefühl der Unsicherheit erzeugt. Auch stößt man dabei mit den Knien an der vorderen Blechverkleidung an.
An Stelle eines Umbaues der Hexe wurde daher gleich eine Neukonstruktion vorgesehen. Ein Kollektiv von Ingenieuren und Facharbeitern — bestehend aus den Kollegen Ing. Berger, Ing. Deglau, Ing. Puhlmann, Ing. Engelhardt, Ing. Schramm, Schiller, Weigelt, Rücker, Jähnichen, Zangolies, Stegmann und Wegner — hatte sich verpflichtet, in 81 Tagen bis zum Geburtstag Stalins am 21. Dezember 1953, einen Motorroller zu konstruieren und handwerklich herzustellen. Mit großer Begeisterung arbeitete das Kollektiv oft sogar Nächte hindurch und sonntags an dieser Aufgabe und kann sehr stolz auf seine Leistung sein; denn am 20. Dezember war das erste Versuchsfahrzeug fertig.
Diese Versuchsausführung, wie sie im Bilde zu sehen ist, entspricht in einigen Einzelheiten noch nicht ganz der endgültigen Serienausführung, da angesichts der kurzen Bauzeit in bezug auf einige Bauteile Behelfslösungen gefunden werden mußten. Das Kollektiv konnte jedoch bei den Probefahrten mit dem Versuchsroller wertvolle Erfahrungen sammeln, die für den Bau von drei weiteren Versuchsfahrzeugen berücksichtigt wurden. Mit diesen Rollern laufen ab Anfang Februar Versuchsfahrten über 25 000 km, wobei sachkundige Einfahrer bei härtester Erprobung alle etwa noch vorhandenen kleinen Mängel feststellen.
Wenn dann der Motorroller Pitty in die Serienproduktion geht, soll die größtmögliche Gewähr dafür gegeben sein, daß die Käufer ein leistungsfähiges, fahrsicheres und dem Stand der Technik entsprechendes Fahrzeug in die Hand bekommen.
Hinsichtlich der technischen Einzelheiten ist zu sagen, daß in den Motorroller Pitty der IFA-Motor RT 125/1 M eingebaut wird, der eine Gebläsekühlung erhält und 5,5 PS leistet. Motor, Kraftübertragung und Hinterrad sitzen auf einer Rohrschwinge, die sich über zwei kräftige Schraubenfedern am Rohrrahmen abstützt. Da durch diese Bauart keine Veränderung des Abstandes zwischen Radachse und Getriebe möglich ist, wird auch die Spannung der Antriebskette nicht beeinflußt. Die Kette erhält eine Gummikapselung wie die der neuen RT 125/1.
Das Dreiganggetriebe wird mit dem Fuß geschaltet. Die Fußbremse wirkt auf das Hinterrad, die Handbremse auf das Vorderrad. Für den Serienbau ist ein Radstand von 1240 mm vorgesehen. Da der Motorroller für den Stadt- und Landverkehr dienen soll, wurden 12-Zoll-Räder mit einer Bereifung der Größe 3,50-12 gewählt. Reserverad und Gepäckträger sollen zur serienmäßigen Ausrüstung gehören. Der bequeme Doppelsattel wird aus Igelit-Schaumgummi geliefert. Die Geschwindigkeit des Motorrollers Pitty wird bei 60 bis 70 km/h liegen.
In der Verordnung des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik vom 16. Dezember 1953 über die Erhöhung und Verbesserung der Produktion von Verbrauchsgütern für die Bevölkerung wurde die Produktion von Motorrollern für das Jahr 1954 mit 5500 Stück und für das Jahr 1955 mit 13 000 Stück angegeben. Es sind alle Vorbereitungen getroffen, daß etwa um die Jahresmitte die ersten serienmäßigen Motorroller in Ludwigsfelde vom Band rollen werden. Es wäre nur zu wünschen, daß das Kollektiv tatkräftiger Männer auch weiterhin zusammenbleibt, um diesen Termin ebenso sicher zu verwirklichen, wie es das erste Versuchsmodell konstruiert und gefertigt hat. //  KfK 2045    Die Redaktion

Quelle:  Zeitschrift- KFT- Kraftfahrzeug-Technik / Archiv: Bert N.

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Stand: Januar 2009