„Pitty" soll er heißen

Das Neueste über die Motorroller-Entwicklung unserer Industrie
Vom Ministerium für Transportmittel- und Landmaschinenbau, HV Schiffbau, bei der Regierung der Deutschen Demokratischen Reublik erhalten wir zu dem Artikel „Sie kommen doch Motorroller Fahrradhilfsmotor — Kleinwagen" von Obering. Siegfried Rauch, Karl-Marx-Stadt, veröffentlicht im Heft 5 der Zeitschrift „Der Deutsche Straßenverkehr", nachfolgende Stellungnahme. Aus Platzmangel haben wir die Ausführungen der Abteilung Forschung und Entwicklung beim Ministerium für Transportmittel- und Landmaschinenbau, die diese in Gemeinschaft mit der Abteilung Forschung und Entwicklung beim VEB Industriewerke Ludwigsfelde gemacht hat, unwesentlich gekürzt.
Mit dieser Veröffentlichung erklären wir uns jedoch nicht in allen Punkten einverstanden und werden uns deshalb im Heft 1/54 nochmals zur Motorroller-Entwicklung äußern.
Unsere Stellungsnahme zu dem oben angegebenen Artikel soll dazu beitragen, die durch die Presse fälschlich verbreitete Meinung über einen eventuellen Bau der "Hexe" zu beseitigen und eine Klarstellung über einige vom Verfasser offengelassene Fragen zu geben.
Die Ausführungen des Verfassers können von uns nur in jedem Punkt bestätigt und unterstrichen werden. Zur Klarstellung der Ausführungen des Verfassers wäre im einzelnen noch folgendes zu bemerken.
Die Betrachtungen über die Anwendung der verschiedenen Radgrößen waren für die Entwicklung eines Motorrollers, welcher nicht nur für Stadtfahrten auf gut asphaltierten Straßen, sondern auch für die Landbevölkerung jederzeit super einsatzbereit sein soll, von ausschlaggebender Bedeutung. Aus diesen Gründen wurden statt der bisher bei vielen Rollertypen verwandten 8" 0-Räder solche von 12" 0 für unsere Konstruktion vorgesehen. Was die Frage des Triebwerkes anbelangt, so stand bei Beginn der Konstruktion bereits fest, daß für einen Motorroller, der in kürzester Frist unseren Werktätigen zur Verfügung stehen soll, eine Neuentwicklung eines speziellen Rollermotors nicht angängig ist. Der wirtschaftliche Zweitaktmotor, der uns zurzeit zur Verfügung steht, ist unzweifelhaft der RT 125 des Motorradwerkes VEB Zschopau. Bei diesem Motor handelt es sich in seiner jetzigen bekannten Ausführung jedoch um einen reinen Motorradmotor. Die Verhandlungen mit dem Motorradwerk in Zschopau ergaben nun, daß dieses Werk sich bereit erklärte,                      den Motor RT 125 durch einige Umkonstruktionen in einen Rollermotor umzubauen; damit kann der Motor vollkommen in der Verkleidung verschwinden, und die freie Plattform vor dem Fahrer ist erhalten geblieben.
Was die Aufhängung der Räder anbetrifft, so stehen hierfür zwei Möglichkeiten offen, entweder mit durchgehender Achse oder einseitiger Aufhängung. Unzweifelhaft wird eine einseitige Aufhängung des Rades eine schnellere Montage ermöglichen. Um jedoch für die Dauer ein gutes Spuren, vor allem des Vorderrades, zu gewährleisten, wird sich bei diesem eine zweiseitige Lagerung als vorteilhafter erweisen. Eine gute Abfederung des Vorder- wie des Hinterrades ist eine Selbstverständlichkeit und findet in der Verwendung der heute viel benutzten abgefederten Schwinge wohl seine beste Lösung.
Bei der Konstruktion des Motorrollers muß schon im Hinblick auf die schnellstmögliche Herausbringung eines ansprechenden Modells Wert darauf gelegt werden, viele Bauteile zu übernehmen, die bereits in der Motorrad Fertigung Anwendung finden, um der Zubehörindustrie keine neuen Sonderentwicklungen aufzubürden.
Wichtigst hierbei auch die spätere Preisgestaltung des Motorrollers. Die Verwendung der bekannten Teile bezieht sich nicht nur auf das Fahrwerk, sondern auch auf die gesamte elektrische Ausrüstung, Normenteile usw. Zur Frage der Verkleidung, das heißt der Karosserierung des Fahrzeuges, wäre zu bemerken, daß auch hier zwei Möglichkeiten bestehen, und zwar einmal der voll verkleidete Motorroller, oder dem Roller nur eine gesonderte Vorderradverkleidung, ein vorderes Schutzblech und eine einfache Verkleidung des Motors zu geben.
Als wichtigstes Moment für den, Motorroller sei hier noch erwähnt, daß derselbe grundsätzlich für die Mitnahme eines Soziusfahrers konstruiert wird. Schaumgummisitze verleihen dem Fahrzeug ein besseres, schnittigeres Aussehen. Auch hier hat die zuständige Industrie ihre Versuche mit Schaumgummi vordringlich beeinflußt, so daß derartige Sitze vorgesehen werden. Zu dem Nachwort der Redaktion glauben wir vorstehend schon einige Erklärungen gegeben zu haben, möchten jedoch die einzelnen Punkte nochmals kurz beantworten.
Zu Punkt 1: Wie vorstehend aufgezeigt, wird der Motor RT 125-1 durch einige kleine Umkonstruktionen zu einem vollwertigen Rollermotor verändert.
Zu Punkt 2: Die für den Roller benötigten Triebwerke werden keinesfalls der Motorradfertigung entzogen, sondern für den Roller gefertigt.
Zu Punkt 3: Diese Frage ist bereits im vorstehenden Text weitgehendst beantwortet worden.
Zu Punkt 4: Der in Heft 2 der Zeitschrift Der Deutsche Straßenverkehr" beschriebene Motorroller Hexe befindet sich bei uns und wurde einer eingehenden Prüfung unterzogen. Es handelt sich bei diesem Fahrzeug um eine handwerkliche Erstanfertigung eines frei schaffenden Kollegen, dem nicht die Mittel zur Verfügung standen, einen Motorroller bis zur konstruktiven Reife zu entwickeln, die für eine Serienfertigung geeignet erscheint. Eine vollkommene Umkonstruktion wäre hier erforderlich gewesen, was aber einer Neukonstruktion gleichkommt.
Zu Punkt 5: Bereits vor der Publizierung durch die Presse wurde ein von der leitenden Entwicklungsabteilung des Ministeriums eingesetztes Konstrukteurkollektiv beauftragt, einen Motorroller zu entwickeln, der in Ausstattung, Ausführung, Form und Gestaltung allen Wünschen unserer werktätigen Bevölkerung Rechnung tragen soll und wird. Dieser Motorroller hat den Namen Pitty erhalten und wird gleichlautend mit der Konstruktion in einer Versuchswerkstatt gebaut. Zur gleichen Zeit wird der mit einem Ventilator versehene RT 125-1 für die Serienreife weiter entwickelt. Im I. Quartal 1954 wird nun diese Versuchsserie einer eingehenden fahrtechnischen Prüfug unterzogen. Die Ergebnisse dieser Prüfung werden dann zu der endgültigen konstruktiven Festlegung führen, nach der dann die Serienfertigung des Motorrollers aufgenommen wird.

Quelle:  Zeitschrift- Der Deutsche Straßenverkehr / Archiv: Bert N.

Copyright © iwl-stadtroller-berlin.de

Stand: Januar 2009